Ich bin nicht gerade ein Fan von James Cameron, ab "Aliens" hat
er nichts auf die Beine gestellt, womit ich zufrieden gewesen
wäre. Das Thema "Titanic" hängt mir zum Hals heraus, ähnlich
"Dracula", "Frankenstein", "Robin Hood" oder ähnlich
ausgelutschte Themen - zumal das Thema "Titanic" ja nichtmal was
wesentlich Neues bieten kann. Meine Erwartungen an den Film waren
im Vorfeld daher ausgesprochen niedrig. Eigentlich schrecke ich
vor dem Thema auch aus ganz anderen Gründen zurück - ich habe das
Talent, mich mit Filmen (wenn möglich) irgendwie zu
identifizieren und das kitschige Geseire älterer Verfilmungen mit
herzzerreißenden Abschiedsszenen, absaufendem Männerchor etc.
gehört zu der Sorte Vorstellungen, die in die Kategorie
"persönlicher Alptraum" zählen, sowas möchte ich nie an der
eigenen Haut erleben müssen und Gedankenspiele könnten mir den
letzten Schlaf rauben. Ich empfand schon eine im Laufe des
letzten Jahres von Premiere ausgestrahlte Doku mit Schilderung
von Einzelschicksalen und nachgedrehten Szenen als enervierenden
Psycho-Trip mit Langzeitwirkung und schäme mich nicht, das
zuzugeben. Des weiteren stand auf dem Filmplakat der Name "Billy
Zane" - ein Schauspieler, der selbst für B-Pictures zu
fünftklassig ist und mich mit seiner dümmlich grinsenden Fratze
eher von einem Film abschreckt.
Weshalb ich ihn mir doch angesehen habe? Erstens weil man
mitreden möchte (aus diesem Grund schreckte ich dummerweise auch vor ID4
nicht zurück) und zweitens, weil mich bereits Copolla mit einer
neuen Verfilmung eines ausgelutschten Themas angenehm überrascht
hat, ein Funken Hoffnung schwelte also in mir - angesichts des
Regisseurs jedoch kein glühender. Ebenso sehe ich mir gerne lange
Filme an, und diese sind selten genug, um sich ja keinen entgehen
zu lassen :-)
Okay, da saß ich dann im Kino, genauer gesagt in der Schauburg in
Karlsruhe. Dieses Kino war ein Kompromiß, denn das Publikum kann
man in der Regel auf den Mond schießen und wie erwartet lief dort
nicht die DTS-Kopie, sondern die DD-Fassung (inklusive eines sehr
häßlichen Fallbacks). Die Vorführung der Originalfassung kam
aufgrund der Laufzeit anscheinend von vorneherein nicht in Frage,
weshalb dann die DTS-Kopie bezahlen ... naja, egal. Wenigstens
machten sie während des Films keine Pinkelpause für die knapp 150
anwesenden Mädels, dann wäre die Vorstellung wohl erst zwei Tage später
beendet gewesen ... Nun denn, konzentrieren wir uns jetzt auf das
Wesentliche, nämlich den Film.
Da saß ich nun und wappnete mich gegen eventuelle schlaflose
Nächte mit leise hingemurmeltem "Alles nur ein Film, das ist
nicht echt, alles nur ein Film". Danke Cameron, diesen Versuch
hast Du mir schon früh versaut - während des Vorspanns zeigt er
alte Originalaufnahmen des Ablegens der Titanic inkl. dem Gewinke
der Passagiere, nur um später diese Szene nochmal detailgenau
nachzudrehen ... mit dem Auf-Distanz-gehen war dementsprechend
Essig, Cameron machte schnell deutlich, daß der Film eben keine
Fiktion ist. Hier sammelte der Film schonmal Punkte bei mir - bei
Filmen dieses Genres war ich eigentlich gewohnt, daß über die
folgende Tragödie hinweggespielt wird und man über das erste
Drittel des Films in Manier von "Erdbeben" oder "Dantes Peak" mit
irgendwelcher Pseudohandlung und Alibi-Charakterisierungen
irgendwelcher Filmstars mit 3-Minuten-Auftritten hinweggeschleppt
wird, für welche sich letztendlich nichtmal der Film
interessiert, geschweige denn der Zuschauer. Mein Liebling als
Negativbeispiel ist hier übrigens der Motorradfahrer aus "Erdbeben".
Gleich nach dem Vorspann nimmt Cameron das Ende des Filmes
vorweg. Er zeigt eine Tauchfahrt zum gesunkenen Wrack und
konstruiert eine Rahmenhandlung. Zu diesem Zeitpunkt war
eigentlich schon klar, daß die Tatsache des Unglücks nicht mehr
der Dreh- und Angelpunkt des Films sein kann, da musste also noch
irgendwas kommen. Zuerst kam jedoch nur die Rahmenhandlung.
Diese trägt zu dem eigentlichen Film nicht viel bei, verstärkt
allerdings den Eindruck der Authenzität ungemein. Ich glaube
sogar, mich daran erinnern zu können, daß der im Film gesuchte
Diamant sowohl als auch sein Besitzer inkl. seines Selbstmordes
einige Jahre später in der oben genannten Premiere-Doku erwähnt
wurden - sollte ich mich irren, ist der Plot jedoch zumindest für
mich glaubhaft. Jedenfalls sucht man den Diamanten, findet ihn
jedoch nicht, sondern stattdessen nur die Zeichnung einer Frau
mit dem Diamanten-Collier als einziges Kleidungsstück. Die damals
gezeichnete Frau lebt noch, findet sich bei der Suchmannschaft
ein und beginnt in einer stillen Stunde, das Erlebte zu erzählen - willkommen
auf der Titanic und in den Armen von Leonardo DiCaprio.
DiCaprio spielt Jack Dawson, einen jugendlichen
Herumtreiber aus Amiland, der sein Ticket für die Überfahrt beim
Pokern gewonnen hat. Vom Deck der zweiten Klasse aus erspäht er
Rose und scheint sie irgendwie attraktiv zu finden.
Rose gehört der oberen Gesellschaftsschicht an, allerdings einer
recht bankrotten Familie, und ist aus finanziellen Gründen mit
einem unausstehlichen Schönling (Billy Zane) verlobt. Ihr Leben
passt ihr überhaupt nicht, sie denkt an Selbstmord, will des
Nachts über die Reling hüpfen und wird prompt von Jack gerettet.
Als Dankeschön erhält Jack (nach ein wenig Nachhilfe von Rose bei
ihrem prompt eifersüchtigen Verlobten) eine Einladung zum Essen
in der ersten Klasse, und nimmt natürlich dankend an.
Einiges Hin und Her, Jack trifft Rose, Rose ist es peinlich weil
nicht standesgemäß, Jack zeigt Rose ein paar selbstgemalte
Bilder, Rose ist beeindruckt, man verbringt die Zeit zusammen.
Irgendwie scheinen sich die beiden ineinander zu verlieben
(nachvollziehbar war es für mich nicht), turteln irgendwann ein
wenig, Jack soll Rose malen, er tut es (nachdem ihm beim Anblick
der nackten Rose die Kinnlade auf den Boden kippt - hübsche Figur
übrigens, besser als das Käsekuchen-Gesicht), irgendwann treiben
es die beiden im Lagerraum. Der klischeehafte Verlobte ist sauer, hetzt ihnen
seinen Diener hinterher, Verfolgungsjagd durch die Gänge des
Schiffes, Jack liebt Rose, Rose liebt Jack, ein paar gesäuselte
Versprechen und die erste Hälfte des Films ist vorbei.
Aus heiterem Himmel folgt nun die Kollision mit dem Eisberg.
Niemand nimmt die Sache ernst (das Schiff ist schließlich
unsinkbar), bis dem Konstrukteur der Titanic der Schweiß
ausbricht und er das Sinken des Schiffes ankündigt. Um keine
Panik zu erzeugen, überzeugt man die Passagiere, ihren Brandy
doch bitte mit angezogener Schwimmweste einzunehmen - lediglich
Jack ist (natürlich) beunruhigt. Man beschließt, den standesgemäßen Lover
und seine Clique zu warnen. Jack wird dabei jedoch Opfer eines Komplotts
und des Diebstahls des gewissen Diamanten bezichtigt - und
im Bug des Schiffes zwecks sicherer Verwahrung angekettet.
Äußerst ungünstig gewählter Zeitpunkt natürlich.
Rose befreit Jack in letzter Sekunde. Respekt übrigens - meine
Frau hätte mir in dieser Szene mit Sicherheit die Axt in den
Rücken gehackt :-) Währenddessen werden auf Deck bereits die
spärlichen Rettungsboote besetzt, und um die Herrschaften vor dem
Pöbel der unteren Klassen zu schützen, werden diverse
Absperrungsgitter abgeschlossen und die Leute der unteren
Gesellschaftsschichten unter Deck eingepfercht. Vollkommen klar,
daß die durch das Wasser watenden Rose und Jack gewisse
Schwierigkeiten zu erwarten haben. Dementsprechend zeigt Cameron
über einen längeren Zeitraum abwechselnd die Geschehnisse auf
Deck sowie "The adventures of Jack and Rose" (aka "Raiders of the lost life boat").
Auf Deck angekommen, treffen die beiden erwartungsgemäß auf Jacks Widersacher in Liebesdingen, auf
dessen Abschußliste Jack den obersten Platz innehat. Die beiden
überzeugen Rose, den letzten Platz in einem Boot zu besetzen,
nachdem Billy sie davon überzeugt hat, daß er mit einem Bootsmann
einen Deal für sich und Jack ausgehandelt hat, infolgedessen zwei
Plätze in einem anderen Rettungsboot für sie reserviert wären.
Der zweite Platz war natürlich nicht für Jack, sondern für den
Diener bestimmt. Beim Herablassen des Bootes überlegt Rose es
sich (nach einer herzzereißenden Abschiedsszene, ich hatte s ja geahnt) anders und
klettert auf die Titanic zurück. Jack und Rose finden sich
wieder, kämpfen sich zum Heck des Schiffes durch, saufen mit der
Titanic ab, paddeln im Wasser herum, Jack erfriert, Rose nicht,
die Mädels im Kino schluchzen. Rahmenhandlung wird zu Ende
geführt, Abspann.
Gut, soviel zur Handlung. Jetzt kommt die eigentliche Kritik.
Cameron hat hier einen Mammutfilm vorgelegt, bei welchen viele
schon angesichts der Laufzeit von 192 Minuten ins Schwitzen
kommen dürften. Die erste zweier wichtiger Fragen: Ist der Film
langweilig?
Antwort: Nö. Man unterhält sich während der ganzen Zeit prächtig.
Zweite Frage: Cameron ist ja ein begabter Actionregisseur, bisher
war er bei längeren Szenen ohne Action, sondern dafür mit
Dialogen, wie z.B. in "Aliens" oder "The Abyss" nicht sonderlich
fesselnd und eher Durchschnitt - wie sieht es bei "Titanic" aus?
Antwort: Nicht anders.
Und hier setze ich den Hauptkritikpunkt bei "Titanic" an. Der
Plot ist nicht von Anfang bis Ende mit Actionsequenzen bestückt
(wie sollte er auch?), was einen imho leider Gottes auftretenden
Effekt hat, den ich näher erläutern möchte.
Im Mittelpunkt des Films steht nicht das Schiff an sich, sondern
vielmehr das Schicksal von Jack und Rose. Selbst während des
Untergangs verliert der Film die beiden nicht aus den Augen. Ich
betrachte "Titanic" daher nicht als Katastrophenfilm im
herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr als Drama. Wenn man es
genau nimmt, sind die dramatischen Elemente wie Exposition,
Eklipse, etc. im klassischen Sinne eines Dramas im Film
vorzufinden.
Das finde ich schonmal positiv, aber leider gibt es hierbei eine
Schattenseite namens James Cameron. Die Charakterisierungen und
dramatischen Elemente dümpeln vor sich hin, hingegen läuft er bei
der Inszenierung des Untergangs der Titanic in Höchstform auf.
Hinzu kommt noch was anderes: Ich habe nicht auf die Uhr gesehen,
aber es kam mir so vor, als ob der Untergang des Schiffs in etwa
genausoviel Zeit in Aspruch nimmt, wie der Aufbau der
Liebesgeschichte - etwa die Hälfte des Films. Der Gegensatz
zwischen dem Drama und dem "Actionfilm" könnte nicht krasser
ausfallen, als er es in "Titanic" ist - und ich habe den
Eindruck, daß man sich in ein paar Jahren beispielsweise weniger
an die Liebesgeschichte erinnert, als an die Szene, in welcher ein Mann
vom Heck der Titanic herabstürzt und dabei auf die hoch in der
Luftstehenden Schiffschrauben donnert. Und das finde ich schade;
für stillere Handlungen talentierte Regisseure hätten aus der
ersten Hälfte des Films mit Sicherheit mehr herausgeholt.
Apropos Talent von Cameron: Eine Frage stellt sich mir auch
jetzt immer noch. Weshalb sind Jack und Rose so ineinander verliebt,
daß sie nichts auf der Welt trennen kann? Die
Liebesgeschichte ist das unzweifelhafte Topic des Films - aber
ich verstehe nicht, was an dieser Liebe so toll sein soll. Die
Beziehung der beiden erinnert mich stattdessen vielmehr an einen
heißen Urlaubsflirt, bei welchem man sich nach der heißen Nacht
nicht mehr an den Namen des anderen erinnert, geschweige denn
heiße Liebesschwüre in einer Affaire, welche nur wenige Stunden
andauert. Entweder hat Cameron bei der Darstellung der
Liebesbeziehung aufgrund Mangel an Talent für sowas einiges gar
nicht erklären können, oder die entsprechende Charakterisierung
findet in den rausgeschnittenen 45 Minuten statt, oder Cameron
will uns lediglich sagen, daß Jack und Rose kindische Weicheier
sind, die nach dem ersten Fick ihres Lebens ('tschuldigung)
erstmal in Traumwelten von pubertierenden Teenagern abtauchen und
sich aufgrund fehlender Erfahrung das Blaue vom Himmel
runterversprechen. Keine Ahnung, hier läßt Cameron mich im Regen
stehen.
Aber soll ich Euch was sagen: Dieser Aspekt ist mir im Nachhinein
völlig schnuppe - vielmehr ein störender Makel, der verzeihbar
ist, denn der Rest des Films macht diesen Patzer wieder wett.
Die filmische Arbeit ist ansonsten von hohem Niveau. Cameron
hatte ein paar interessante Ideen; so produziert er stets weiche
Übergänge zwischen Kern- und Rahmenhandlung durch softe visuelle
Überblendungen zwischen dem Wrack und der intakten Titanic. Neben
den Aha-Effekten ("So sah das also vor der Katastrophe aus") ist
vor allem beeindruckend, daß diese Überblendungen butterweich aus
Kamerafahrten heraus entstehen - extrem eindrucksvoll gemacht.
Die Ausstattung gehört zum besten, was ich jemals in einem Film
gesehen habe. Die Optik ist generell umwerfend - naja, zwei Ausnahmen
bestätigen hier die Regel, denn zwei bildschirmfüllende
Bluescreen-Einstellungen sind aufgrund ihrer Schwierigkeit nicht
erste Sahne. Genauer gesagt die Sequenz, als die Titanic mit
ihrer Seite am Eisberg entlangschrubbelt und jene, in welcher
sich das Heck des Schiffs über die herumpaddelnden Menschen hebt.
Hier fühlte ich mich ein wenig in die gute alte Zeit versetzt, in
welcher Charlton Heston beim Wagenrennen munter ein nicht
existierendes Pferd peitschte, während hinter ihm auf einer
Leinwand ein Film mit dem Rest des Feldes ablief. Ansonsten waren
die Effekte von einem sehr hohen Niveau, da kann man nichts
sagen. Stellenweise stockt einem der Atem, zum Beispiel wenn die
Titanic auseinanderbricht und das Heck des Schiffes auf die
herumschwimmenden Menschen kracht, oder wenn eine Person abstürzt
und man ihrem langen Fall durch Geländer und sonstige Hindernisse
bis zum Aufschlag im Wasser verfolgen kann. Wie bereits erwähnt
finde ich es nur schade, daß solche Augenblicke vom eigentlichen
Kern des Films ablenken und die Effekte manchmal zur
Effekthascherei mutieren.
Da wir schon bei den Effekten waren, kommen wir mal zum Ton:
SAGENHAFT. Ich habe noch nicht oft erlebt, daß Surroundkanäle
derart sinnvoll eingesetzt werden - und überhaupt nicht in
solcher Quantität (auch nicht in "Star Wars Trilogy Special Edition" und
"Das Boot - Director's Cut". Die Surroundkanäle laufen über große Parts
praktisch unter Vollast (in der zweiten Hälfte eigentlich
durchgehend), schon alleine das ist ein Grund, sich den Film im
Kino anzusehen, anstatt auf eine Videoveröffentlichung zu warten.
Zusammen mit den tollen Bildern macht der Ton den Film zu einem
Erlebnis, wie man es selbst im Kino lange nicht mehr erleben
konnte. Der Ton ist oftmals auch regelrecht manipulativ und dient
weniger der Effekthascherei wie im Mainstream-Kino zu oft die
Regel. Beispielsweise hört man während der ersten Hälfte das
Wasser stinknormal im Center plätschern, mit dem Eintreten der
Katastrophe breitet sich diese Geräuschquelle über sämtliche
Lautsprecher in gleichem Maße aus, was die Präsenz des Wassers
sofort unbewußt als wesentlich bedrohlicher erscheinen läßt. Auch
in anderen Passagen des Films werden die Surroundkanäle zur
Darstellung einer Stimmung benutzt - zum Beispiel während der
Tansszene unter Deck. Während die für Rose anödende Musik der
upper class bisher immer brav aus einer Richtung kam, bricht hier
das Getrommel und Gefidele aus allen Richtungen über den
Zuschauer ein und macht die Szene für den Zuschauer ebenso zu
einem Höhepunkt, wie sie es für Rose darstellt.
Beim Tonschnitt wurde stellenweise geschlampt, was aber auch an
der Synchronisation liegen kann. Über die Surroundkanäle sind
auch Stimmen zu hören (gesprochene Worte, nicht nur
Hintergrundsgemurmel), aber hin und wieder übel verwurschtelt.
Bei einer Szene hat mich so ein Patzer völlig aus meiner
Konzentration auf den Film gerissen und mich genug verwirrt,
um dem gesprochenen Wort für ein paar Sekunden nicht mehr folgen zu
können. Ich meine die Szene, in welcher Rose sich mit ihrer
Familie zum Kaffeetrinken eintrifft und ihre Mutter ihr einen
Blumenkohl ans Ohr labert. Man hört die Stimme der Mutter ständig
über den rechten Kanal, wogegen man nichts aussetzen könnte,
schließlich sitzt sie auch dort. Mitten in einem Satz erfolgt
jedoch ein Schnitt, in der zweiten Hälfte des Satzes sitzt die
Mutter jedoch von der Kameraposition - ihre Stimme
erschallt jedoch weiterhin munter von rechts außen. Solche Dinge
sind entweder für den Tonschnitt oder die deutsche Snychro ein
Armutszeugnis.
So, jetzt habe ich etliche Zeilen munter genörgelt, es sollte zum
Fazit kommen:
Trotz diverser Patzer wie der unvollständigen Charakterisierung
hat mich der Film überzeugt. Ich bin froh, ihn gesehen zu haben
und vertrete letztendlich die Meinung, daß ich zum ersten Mal bei
einem aktuellen Kinofilm das gesehen habe, was ich sonst nur aus
dem Fernsehen oder Wiederaufführungen kenne: Monumentales
Hollywood-Kino ersten Ranges, genau so stellt man sich eigentlich
ein richtiges Prachtstück aus der Traumfabrik vor, wie man sie
in den 50ern regelmäßig und heutzutage fast gar nicht mehr
vorgesetzt bekommt. Aus diesem Grunde sollte man den Film
unbedingt in einem großen Kino sehen - besser gar nicht als ein
erstes Sehen auf dem heimischen Fernseher oder in
Hinterzimmerklitschen. Ich kann nur schwer abschätzen, ob mich
der Film ebenso beeindruckt hätte, hätte ich ihn auf einer
kleineren Leinwand mit schlechterem Ton oder gar auf einer
Mattscheibe gesehen ... und beeindruckt hat mich der Film
ungemein.
Nicht einmal Billy Zane hat mich gestört, und das soll was
heißen. Wahrscheinlich hätte ich sogar Kevin Costner
verkraftet - Grund dafür ist letztendlich Cameron, denn auch wenn
er kein erstklassiger Regisseur ist, hat ihm der Film seine
überwältigende Wirkung letztendlich zu verdanken.
Nachträglich habe ich den Film im Geiste auch mit anderen Filmen
ähnlicher Genres verglichen - allen voran natürlich ältere
Titanic-Verfilmungen. Diese erscheinen als Kinderkacke, mit
Kitsch nahezu überladen. Paradebeispiel ist die Gefühlsduselei
beim Abschiednehmen, die riesige Blaskapelle, welche beim
Absaufen noch munter spielt und die zum Chor formierten Männer,
die munter gröhlen als gäbe es nichts Schlechtes auf dieser Welt,
während ihnen das Wasser um die Füße spült und
die Titanic untermalt vom Wehgeschrei der Weiber im niedlichen
10-Grad-Winkel in den Fluten des Ozeans verschwindet ... argl.
Auf Kitsch läßt sich Cameron erst gar nicht ein. Drei Sequenzen
sind ausgesprochen sentimental, nämliche folgende:
Ersteres ist imho notwendig, da hier das eigentliche Grauen der
Katastrophe vermittelt wird. Sowas schwirrt einem noch recht
lange im Kopf herum, das ist mehr wert, als sich in
"Erdbeben"-Manier großartig auf nicht vorhandene
Charakterisierungen von Personen anhand Schilderungen des
balanglosen Alltags vorzuführen, nur um sie dann irgendwann
verrecken zu lassen ... Hey, guckt mal, da sterben lebende
Menschen. Hat Cameron hier imho wesentlich geschickter mit einem
Minimum an Zeitaufwand vollbracht.
Zweites ist schlichtweg hinterfotzig. Hier geht das große Geflenne
im Kino los, die Tränen fließen vor allem bei weiblichen Zuschauern in Strömen
(kurzes Umschauen lohnt sich ;). Cameron baut hier, ohne
großartig den Schmlaz triefen zu lassen, lediglich über die Musik
und die Bilder eine herrlich intensive Stimmung auf, wie man sie
eigentlich nur aus Disney-Produktionen kennt (kitschiger und mit
viel Blabla sowie Geschluchze auf der Leinwand eben). Das
Erlebnis des Films wird hierdurch nicht nur auf visueller,
sondern auch auf menschlicher Basis ungeheuer intensiviert.
"Titanic" definiert das Genre des Katastrophenfilms und
Untergangsdramas nicht nur von Grund auf neu, sondern deklassiert
bisher erschienen Filme völlig. Nach "Titanic" kann man über
Filme wie "Poseidon Inferno" nur noch müde lächeln, der innere
Aufbau von "Erdbeben", "Flammendes Inferno" etc. erscheint mir
der klischeehaften Einbringung von Hollywood-Stars mit mühsam
konstruierter Existenzberechtigung dieser Rollen im direkten
Vergleich als gnadenlos behämmert und schwachsinnig. Das
menschliche Drama versiebt Cameron gnadenlos - vielleicht bringt
die von ihm für Laserdisc angekündigte vollständige Fassung
diesbezüglich die Erleuchtung, mal sehen. Der Film ist jedoch
nachhaltig genug, daß dies in der Tat mehr einen Makel als einen
unverzeihlichen Fehler darstellt - lediglich bedauerlich, denn
hierdurch ist "Titanic" knapp an der Perfektion vorbeigeschrammt und,
auch wenn es angesichts der über 3 Stunden Spielzeit eigentlich
paradox anzumuten scheint, einfach um eine Stunde zu kurz.
"Titanic" ist Unterhaltung der Spitzenklasse, wenn auch Freunde
des Actiongenres in der ersten Hälfte etwas gähnen dürften. Durch
die zweite Hälfte verdient sich "Titanic" dennoch einen Platz im
Olymp des Actionkinos - hier geht Cameron über einen langen
Zeitraum zur Sache wie selten zuvor zu sehen war. Wäre die
Charakterisierung glaubhafter, könnte man dem Film auch
angemessenen Anspruch bescheinigen, in diesem Punkt ist er jedoch
nur Durchschnitt, wenn auch dem typischen Mainstream-Kino der
letzten Zeit noch haushoch überlegen. Langweilig ist der Film
jedenfalls nicht und dürfte nicht nur gemäßigten Freunden des
Kinos gefallen, sondern auch ausschließlichen Anhängern eines der
beiden eingebrachten Genres.
Bei "Titanic" hat man es mit einem Film zu tun, an welchen man
sich noch in 50 Jahren erinnern und der aller Wahrscheinlichkeit
nach zu einem ganz großen Filmklassiker in der Tradition von "Ben
Hur", "Die zehn Gebote" oder "2001-Odyssee im Weltraum" werden
wird - schon alleine deshalb nicht versäumen, für sein
Eintrittsgeld bekommt man nur selten derart viel filmischen
Gegenwert geboten. Neben "Lost Highway" auch der einzige Film der
letzten 20 Jahre, der mich dazu veranlaßt hat, tagelang bei jeder
Gelegenheit unbewußt meine Gedanken abschweifen zu lassen und
über den Film nachzudenken.