Das Wiener Intrigenspiel und der kalkulierte Wahn des Westens

( Der faschistische Feind, gegen den die ideologischen Überregulierer Europas in Österreich anrennen, ist eine Fiktion )

Von Karl-Peter Schwarz - Die Presse / Wien

Es wird zur Zeit geheuchelt und gelogen, dass sich die Balken nur so biegen - in Österreich, in Europa und im Rest der Welt. Beginnen wir der Ordnung halber mit Österreich und den Österreichern.

Am Dienstag, dem 8.Februar, erschien in der französischen Tageszeitung 'Liberation' ein Kommentar des Auslandsösterreichers Robert Fleck, der tags darauf vom Wiener 'Standard' übernommen wurde. Fleck, zur Zeit Direktor der Kunsthochschule von Nantes, einst 'Bundeskunstkurator' des sozialdemokratischen österreichischen Bundeskanzlers Vranitzky, schreibt unter dem Titel 'In einem Naziland kann man nicht mehr ausstellen': 'Entgegen vielen Illusionen, selbst unter der österreichischen Linken, ist die FPÖ keine harmlose, demokratische Partei, sondern eine der härtesten faschistischen Formationen Europas(...), die direkte Fortsetzung der Nationalsozialistischen Partei(...), die im Frühjahr 1945 durch die Niederlage des Dritten Reiches gegen die Allierten aus der Regierungsverantwortung in Österreich gedrängt wurde.' In Flecks Analyse der Lage in Österreich nach der Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung 'paktieren(...) die Söhne der österreichischen Altnazis mit jenen Kräften der ÖVP, die in der Zwischenkriegszeit die Ständestaat-Diktatur trugen. Die Reaktionen der westlichen Demokratien zeigen deutlich, dass es diesen letztendlich um die Wiederaufnahme des im Frühjahr 1945 abgebrochenen Kampfes gegen den Nationalsozialismus geht.' Vranitzkys ehemaliger Bundeskunstkurator ( dieses Amt diente der staatlichen Administration der staatlichen Förderung staatlicher Künstler ) fordert den 'lückenlosen Boykott der österreichischen Kunstinstitutionen' wie weiland 'in den siebziger Jahren in Chile' und verkündet: 'Ich bin kein Österreicher mehr.'

Man reibt sich die müden Augen. Man liest den Text noch einmal. Man erinnert sich, vor vielen Jahren einmal einen Artikel dieses damals noch sehr schüchternen jungen Mannes über Pier Paolo Pasolini für die Wochenendbeilage der 'Presse' redigiert zu haben. Man erinnert sich an das blasse Gesicht eines hypersensiblen Bürschchens aus einem Wiener Nobelbezirk, das seine Tage in der Nationalbibliothek zubrachte, um ein Buch über die Geschichte des Wiener Aktionismus zu schreiben. Es ist acht Uhr abends. Durch die Fenster im Wohnzimmer dringt das Trommeln und Pfeifen eines Demonstrationszuges, der sich vom Parlament über die Josefstädterstrasse stadtauswärts bewegt. Ein paar hundert junge Leute skandieren 'Widerstand, Widerstand'. Fleck schreibt: 'Wer die Situation unter Tutschman(sic!) in Kroatien kannte, mag sich vorstellen, was den österreichischen Künstlern bevorsteht.' Man reibt sich noch einmal die Augen. Sind denn alle wahnsinnig geworden? Es schaut ganz danach aus.

'Profil' zum Beispiel setzte in dieser Woche 'Die Schande Österreichs' auf ein pechschwarzes Titelblatt. Ein Komentator dieses österreichischen Nachrichtenmagazins, den man bisher für einen ziemlich versponnenen, aber doch recht intelligenten und amüsanten Menschen gehalten hatte, stellt sich ernsthaft folgende Fragen: 'Was ist los mit dem bürgerlichen Lager? Ist der Hass der Bourgeoisie auf die Roten so tief, dass er jeden vernünftigen Gedanken verscheucht?' Auf Sätze wie diese stösst man in diesen Tagen immer wieder. In der Wahnwelt der Medien verschwimmen die räumlichen und zeitlichen Grenzen.

Haider, Hitler und Waldheim reiten auf einer klapprigen Mähre, die der SA beigetreten ist, im heulenden Wind über das Marchfeld und schleudern ihre Handgranaten gegen Asylanten. Die Alliierten reichen dem kleinen, aber unerhört tapferen österreichischen Widerstand brüderlich die Hand im Kampf gegen Jörg Haider und seine Nazi-Schlächter; eine riesige Einheitsfront bildet sich, die vom Oval Office über den Elysee-Palast bis in das Hauptquartier der SPÖ in der Wiener Löwelstrasse und in die Redaktion des ORF reicht. Es ist ein die ganze Welt umspannender, einzigartiger Kampf: hochmoralisch, voller Gefühl und weit gefahrloser als der Kampf gegen Windmühlen. Denn der faschistische Feind, gegen den er anrennt, ist eine reine Fiktion.

Österreich, das ist in diesen Tagen der Schauplatz eines irrwitzigen Comics, den ein paranoider Underground-Zeichner zu Papier gebracht haben könnte. Das Problem ist die weite Verbreitung dieser Horror-Story. Sie wird von Bill Clinton gelesen und für wahr erklärt, von Gerhard Schröder, Jaques Chirac, Jose Maria Aznar, Antonio Guterres und Massimo D'Alema. Erwarten Sie von mir nicht, dass ich diese kranken Bilder widerlege. Erwarten Sie nicht, dass ich lange und umständlich Wahrheitsbeweise für meine Überzeugung vorlege: dass sich Jörg Haider zu Adolf Hitler genau so verhält wie Massimo D'Alema zu Josef Stalin und Joschka Fischer zu Pol Pot ( und damit will ich Haider bei Gott nicht entlasten! ). Wer unbedingt glauben will, dass Österreich von dumpfen Troglodyten und alpinen Geheimnazis bevölkert ist, die nur darauf gewartet haben, auf Haiders Befehl grunzend aus ihren Höhlen zu kriechen, um in den von der Zivilisation über Nacht verlassenen Palais an der Ringstrasse die letzten Reste österreichischer Kultur, Urbanität und Humanität aus der Schüssel zu kratzen, der soll es halt glauben. Mir reicht es schon, wenn ich in der 'International Herald Tribune' das Inserat der neuen österreichischen Bundesregierung mit dem Text der Präambel lesen muss, die der österreichische Bundespräsident Klestil den Koalitionspartnern aufgezwungen hat. Das ist ein an Peinlichkeit kaum mehr zu überbietender Text, der nur eine Wirkung haben wird: dass nämlich alle, die die Österreicher nicht für Nazis halten, sie für Vollidioten halten werden. Leicht wird es nicht werden, dieses Vorurteil zu widerlegen. Allen Ernstes wird in Klestils Präambel das unerschütterliche Bekenntnis der Bundesregierung zu den Menschenrechten abgelegt, ganz so, als sei Österreich eine gerade erst einer blutigen Militärdiktatur entronnene Bananenrepublik.

Damit kommen wir zur Rolle des Staatsoberhauptes. Der Aktivismus, den der von seiner weltgeschichtlichen Bedeutung überzeugte Bundespräsident seit der Wahl am 3. Oktober an den Tag legte, war von grösster Kläglichkeit. Zuerst gab es sinnlos verordnete 'Sondierungsgespräche', mit denen zwei Monate vergeudet wurden; dann heftige, von der 'Kronenzeitung' massiv unterstützte Bemühungen, den Druck auf die ÖVP zu erhöhen, damit sie die Liaison mit der SPÖ um weitere vier schreckliche Jahre verlängere; dann die Mobilisierung europäischer Spitzenpolitiker gegen die sich schon abzeichnende Bildung einer schwarz-blauen Koalition ; und schliesslich die Entscheidung des Präsidenten, die neue Regierung doch noch anzugeloben - nicht ohne ihr eine Präambel zum Koalitionsabkommen mit auf den Weg zu geben. Von der Öffentlichkeit lange Zeit unbemerkt, ist Klestil offenbar unheilbar am Havel-Syndrom erkrankt ist, einem Morbus intellektueller und moralischer Selbstüberschätzung , der besonders häufig bei mitteleuropäischen Präsidenten vorkommt, die mit viel zu weit reichenden Kompetenzen ausgestattet sind.

Eines scheint klar zu sein: Hätte Klestil von Anfang an und mit aller gebotenen Entschiedenheit darauf hingewiesen, dass die FPÖ keine rechtsextreme Partei ist und dass es ausschliesslich die Sache der Österreicher ist , über die Zusammensetzung einer österreichischen Regierung zu befinden, dann wäre uns einiges erspart geblieben. Vieles deutet darauf hin, dass sich nicht nur Klestil, sondern auch der frühere Kanzler Klima auf der Stockholmer Holocaust-Konferenz darum bemüht hat, im Ausland Unterstützung gegen eine ÖVP-FPÖ-Regierung zu finden. Für die SPÖ stand schliesslich alles auf dem Spiel. Man darf nicht übersehen, dass in Österreich in diesen Tagen nicht nur eine Regierung, sondern ein seit dreissig Jahren bestehendes System abgelöst wurde. Ein heute vierzigjähriger Österreicher mag im Laufe seines Lebens an vielem gezweifelt haben, vielleicht sogar an der Existenz Gottes, aber niemals daran, dass am Ballhausplatz ein sozialdemokratischer Bundeskanzler sitzen wird.

Damit sind wir bei der wirklich entscheidenden Frage angelangt, nämlich bei jener nach dem Verhältnis zwischen SPÖ und FPÖ. Wie die meisten österreichischen Geschichten, die nicht gerade bei Josef II beginnen, beginnt auch diese bei Bruno Kreisky, der darauf stolz war, das 'dritte Lager' - darunter versteht man in Österreich den von der FPÖ einst vertretenen und mittlerweile sanft entschlummerten Deutschnationalismus - mit dem Staat Österreich zu versöhnen. Kreisky hatte auf seine Art einen untrüglichen Instinkt für die innige Verwandschaft zwischen den kollektivistischen Ideologien des Sozialismus und des Nationalsozialismus. Im Ständestaat war er als junger Sozialdemokrat mit verhafteten Nationalsozialisten eingesperrt gewesen. Seiner Auffassung nach lag die wahre Tragödie der Ersten Republik nicht etwa im Erstarken des Nationalsozialismus, sondern im christlich-sozialen 'Austrofaschismus', der die sozialdemokratische Arbeiterschaft den Nationalsozialisten in die Hände getrieben hatte. Seine Strategie des Bündnisses mit dem 'dritten Lager' zielte folgerichtig darauf ab, die Christlich-Sozialen auf Dauer zu isolieren. Bei der Wahl der Mittel war Kreisky nicht wählerisch. In seiner von der FPÖ unterstützten Minderheitsregierung saßen vier prominente ehemalige Nationalsozialisten ( 'mehr Nazis als 1938 in der Regierung Seyss-Inquart', scherzte man seither in der ÖVP ). Es störte Kreisky nicht im Geringsten, dass der damalige FPÖ-Chef Friedrich Peter ein ehemaliger SS-Offizier war, dessen Einheit in Polen gemordet hatte. Simon Wiesenthal, der einschlägige Dokumente vorlegte, wurde von Kreisky abgekanzelt, gedemütigt und als NS-Kollaborateur beschimpft. Aus der parlamentarischen Unterstützung einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung wurde Jahre später die kleine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ. Auch diese wurde von den Schatten der Geschichte eingeholt, als der damalige FPÖ-Verteidigungsminister Frischenschlager den gerade erst aus der italienischen Haft entlassenen Kriegsverbrecher Walter Reder mit Handschlag begrüßte. Wer sich die Mühe macht, in alten Zeitungen zu blättern, findet eine Fülle von einschlägigen Zitaten von FPÖ-Politikern, die sich in nichts von der Anbiederung unterscheiden, die für Haiders Sympathie für die so genannte 'Kriegsgeneration' typisch ist. Was die FPÖ vor Haider von der FPÖ unter Haider unterscheidet, ist nicht das Verhältnis zur NSDAP, sondern jener zur SPÖ .

Als sich Haider gegen die sozialdemokratische Erbpacht wandte, war plötzlich Feuer am Dach. Auf Kreiskys Strategie der Integration des 'dritten Lagers' folgte die Strategie der permanenten Ausgrenzung der FPÖ, die ihrerseits die Verewigung der Koalition zwischen SPÖ und ÖVP erforderte. Die Tatsache, dass sich die ÖVP auf diese Strategie jahrelang fast bedingungslos einließ, vor allem unter dem ÖVP-Obmann Busek, war ihr verhängnisvollster politischer Fehler. Nicht nur, dass die ÖVP beinahe an Schwindsucht verendete. Auf die Dauer viel problematischer noch erwies sich die intellektuelle und geistige Versumpfung der Republik im großkoalitionären Treibhaus. Der SPÖ ist es in dreißig Jahren Kanzlerschaft und Alleinherrschaft in einigen Ministerien gelungen, die Republik in eine sozialdemokratische Bundeserziehungsanstalt umzumodeln, die sich mit nichts vergleichen lässt, was es in Europa sonst noch an Modellanstalten des Sozialingenieurwesens geben mag. Sie hat ihre Tentakel in so gut wie alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens ausgestreckt - von den Banken, den Versicherungen, den gemeinwirtschaftlichen Unternehmen, der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt bis in das Schul- und Hochschulwesen und in die Bundestheater.

Eine ganze Generation von Österreichern , Unternehmer eingeschlossen, wurde im Geist des paternalistischen sozialdemokratischen Etatismus erzogen und verbogen. Es entstand eine riesige, sündteure Umverteilungsmaschinerie, welche die Unternehmen wie die Bürger auf unzumutbare Weise belastet, die Sozialbürokratie aufbläht und die Gelder von Hinz zu Kunz und von Kunz zu Hinz verschiebt. Die Menschen, die tatsächlich hilfsbedürftig sind , fallen derweil durch das grobmaschige Netz des Sozialstaates und sind von der Hilfe privater Organisationen wie der Caritas abhängig. Unter demokratischen Verhältnissen sind dreißig Jahre eine Ewigkeit , die jede Regierung in ein Regime verwandelt. Die Protestaktionen auf den Straßen Wiens geben Marx Recht, der das gesellschaftliche Bewusstsein auf das gesellschaftliche Sein zurückführte: Staatskünstler bangen um Subventionen, Sozialingenieure um staatliche Aufträge, Projektbeauftragte um bereits genehmigte Projekte, und das alles im Zeichen des Kampfes gegen den Faschismus. Verglichen damit, was die SPÖ aufführt, seit ihr klar geworden ist, dass sie die Macht verliert, haben die tschechoslowakischen Kommunisten im November 1989 geradezu demokratische Reife bewiesen.

Aber natürlich wäre es lächerlich, wollte man versuchen, die heftige internationale Reaktion gegen den Regierungswechsel in Österreich ausschließlich oder auch nur vorwiegend als das Ereignis einer innerösterreichischen Intrige zu erklären. Das österreichische Intrigenspiel war nicht viel mehr als der willkommene Anlass für ein vielschichtiges ideologisch-politisches Manöver, bei dem es um Österreich am allerwenigsten geht. Geht es um Deutschland? Das mag sein. In einer Diskussion im italienischen Fernsehen, bei der Politiker aus Triest, Venedig und Udine an den Pranger gestellt wurden, weil sie sich der antiösterreichischen Kampagne ähnlich entschlossen widersetzten wie der bayerische Ministerpräsident Stoiber, entfuhr dem Moderator die Bemerkung, der Weg der Bayern nach Berlin könne über Österreich führen. Wird Österreich geprügelt, um den Deutschen die Rute ins Fenster zu stellen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Krise des bürgerlichen Lagers in Deutschland, verursacht durch die Spendenaffäre der CDU, und den heftigen internationalen Reaktionen auf den Regierungswechsel in Österreich?

Es fällt jedenfalls auf, dass von der deutsch-französischen Achse seit geraumer Zeit nicht mehr die Rede ist. Chirac hätte darüber hinaus gute Gründe, mit den Österreichern abzurechnen. Die haben weniger mit Haider zu tun als mit der rot-grünen politischen Correctnes, die in der österreichischen Bundeserziehungsanstalt en vogue ist. Nicht nur bei den Protesten gegen die französischen Atomversuche im Pazifik standen Österreicher an erster Stelle. Noch mehr dürfte die absurde Kampagne gegen die grenznahen Atomkraftwerke die Franzosen verärgert haben, die ein unverkennbares, im übrigen legitimes Interesse an der Modernisierung dieser Atomkraftwerke haben. Die unappetitliche Ausländerfeindlichkeit Haiders dürfte den ehemaligen französischen Oppositionsführer wohl am allerwenigsten stören. Chirac hatte noch 1991 über den 'Krach und Geruch' von arabischen Immigranten geklagt, um gleich darauf im Haider'schen Stil hinzuzufügen, dass es ja wohl 'kein Rassismus ( sei ), das zu erwähnen'. Chirac will sich für den Kampf um die Präsidentschaft gegen Jospin positionieren und hält es nun für geboten, sich gegen den 'Front National ' abzugrenzen. Das dümmliche Argument, in der EU sei der Unterschied zwischen Innen- und Außenpolitik schon überwunden, hat insofern einen wahren Kern, als die Union dazu verleitet, mit außenpolitischen Argumenten Innenpolitik zu machen.

Was für Chirac gilt, gilt in gewisser Weise auch für Aznar, dessen Partei von einem ehemaligen Minister Francos gegründet worden ist. Aznar hat eine exzellente politische und ökonomische Bilanz aufzuweisen. Spanien gehört heute zu den Ländern der EU, die am anschaulichsten die Überlegenheit einer liberalen wirtschaftlichen Ordnung gegenüber dem kontinentalen Etatismus vor Augen führen. Was ihn jedoch im Wählerreservoir der spanischen Linken disqualifiziert, ist der franquistische Ursprung seiner Partei. Eine entschieden antifaschistische Haltung bietet da einen willkommenen Ausweg - vor allem dann, wenn der Gegner Haider heißt. Der Italiener D'Alema wiederum , ein grauer Apparatschik der verflossenen italienischen KP, die ihren 'unabhängigen Kurs' jahrzehntelang vom KGB finanzieren ließ, hat andere Probleme. Einerseits muss er die Altkommunisten ins Boot holen, um seine Regierungsmehrheit zu verteidigen; andererseits muss er gegen Bossis Lega Nord mobilisieren, die er lange Zeit umschwärmt hat, die sich nun aber wieder an der Rechtskoalition Berlusconis orientiert. Politiker der Lega Nord haben sich zu ausländerfeindlichen Äußerungen hinreißen lassen, gegen die sich die Entgleisungen einzelner FPÖ-Politiker fast schon harmlos ausnehmen. Jetzt hat D'Alema die Chance, Bossi als 'Haider-Freund' zu denunzieren.

Im Zusammenhang mit dieser internationalen Kampagne nervt wohl am meisten das Gerede von der europäischen 'Wertegemeinschaft', die angeblich so fundamental sei, dass in ihrem Namen jeder Verstoß gegen demokratische Grundregeln gerechtfertigt werden kann. Kluge Beobachter haben auf die Ambition der europäischen Linken hingewiesen, der Europäischen Menschenrechtskonvention einen rot-grünen Grundwertekatalog zur Seite zu stellen. George Melloan erinnerte daran, wie man es nennt, wenn individuelle Meinungen und Werte unterdrückt werden, damit ein Staatswesen mit 'gemeinsamen Werten' errichtet werden kann : Totalitarismus ! Die durch die unverhohlene Missachtung der demokratischen Willensbildung zustandegekommene ideologische Überregulierung der Europäischen Union durch die Paladine des Etatismus von Chirac bis Schröder gehört gewiss nicht zu den Problemen, unter denen nur die Österreicher zu leiden haben. Die Political Correctness ist eine vorzügliche Waffe des seinem Wesen nach totalitären Machtanspruch der Linken. Die kritischen Stimmen, die sich in den klassischen Demokratien Großbritanniens und der Vereinigten Staaten jetzt gegen die Arroganz der Politiker der EU erheben, verdienen es, sehr ernst genommen zu werden .

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der Wiener Zeitung : Die Presse