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Gute und böse Maßnahmen?

Europa steht mit seinen Sanktionen gegen Österreich da - und weiß keinen Ausweg ohne Gesichtsverlust.

von Andreas Schwarz



Es hätte ein lustiger Heurigenabend werden sollen, den der Sängerbund "Museldall" in Wasserbillig da am vergangenen Wochenende plante. Doch momentan ist den luxemburgischen Sängern nicht nach Wienerlied-Seligkeit - die Österreicher, man weiß schon! -, und die Veranstaltung wurde abgesagt. Dafür war einem Delfter Knabenchor nach Singen (zumindest befanden das seine Manager), und man nahm eine CD auf. Titel: "Kauft nicht von Österreichern."
Es sind dies nur zwei Beispiele einer langen Liste von, nein, nicht Sanktionen: von Auswirkungen, die die Maßnahmen der EU-14 gegen Österreich im Alltag haben. Ob der Vizepräsident der Europarats-Dopingkommission abgewählt wird, weil er Österreicher ist, ob Wein-Lieferungen abbestellt werden, weil sie aus Österreich kommen, Kongresse storniert werden, weil sie in Österreich stattfinden: Die offiziellen Sanktionen der EU-Partner vor zwei Monaten waren der Startschuß für alle jene, die aufgrund von Haider-Äußerungen und Berichten über Österreich entweder empört sind oder ein bißchen politically correct sein wollen, ihr Zeichen zu setzen.

Die Liste ist gewiß kein repräsentatives Bild der internationalen Haltung gegenüber Österreich, im Gegenteil: Umfragen unter EU-Bürgern kommen zu einem ganz anderen Schluß, was die Akzeptanz der Maßnahmen betrifft. Aber sie ist lang genug, um Schaden anzurichten. Und sie enttarnt den Unfug, in dem sich die Opposition in Österreich seit geraumer Zeit gefällt: nämlich die Sanktionen gegen die Regierung für sich nützen und gleichzeitig die Österreicher in Schutz nehmen zu wollen und daher von richtigen und falschen Maßnahmen zu sprechen. Diese Unterscheidung kann es nicht geben, denn die sogenannten "falschen" Maßnahmen gegen die Bevölkerung sind die automatische Folge der vermeintlich "richtigen", die die bilateralen Beziehungen reduzieren. Und solange es Österreicher wie den Staatsoperndirektor Holender gibt, die munter die Existenz angeblicher weiterer Maßnahmen dazuerfinden, um mit theatralischer Betroffenheit die Aussätzigkeit des Landes zu beklagen (und eigene Geschäfts-Probleme zu kaschieren), solange ist die Einteilung in "gute" und "böse" Maßnahmen vollends grotesk.
Nein, nein: Die Sympathisanten der EU-Maßnahmen gegen Österreichs Regierung haben den Rattenschwanz an Folgen, sollten sie ihn nicht gewollt haben, nicht bedacht. Wie dem hastigen Beschluß der EU-14 ja überhaupt wenig ausgereifte Gedanken zugrunde gelegen sind.

Man hat eine Regierungsbeteiligung der FPÖ verhindern wollen, aber nicht bedacht, was passiert, wenn man das nicht schafft. Man hat die Maßnahmen nicht mit unakzeptablen Sagern Jörg Haiders begründet, sondern mit der ausländer- und europafeindlichen Politik seiner Partei, ohne zu überlegen, daß in einer Reihe von EU-Staaten die Politik in Sachen Asyl und in Sachen Osterweiterung mindestens so restriktiv ist, wie man von der Regierung in Wien annimmt, daß sie sein wird. Jetzt steht man da mit einem Österreich, das den Vorurteilen offenbar doch nicht ganz entspricht; mit Maßnahmen, von denen man nicht weiß, wie man sie gesichtswahrend wieder los wird; mit Expertisen, die die offiziellen Maßnahmen unrechtens nennen; und mit ersten Ausscherern bei den EU-14, die ihr Unwohlsein auch artikulieren.

Und vermutlich mit dem Wissen, daß die USA den Europäern in Sachen Außenpolitik wieder einmal eine Nasenlänge voraus waren: Dort hat man, zuletzt der Kongreß, zwar seine Sorge deponiert, läßt sich im übrigen aber von der Botschafterin regelmäßig Fakten berichten - darüber hinaus gehende "richtige" Maßnahmen seitens Washingtons gibt es nicht; weshalb die "falschen" dort auch die Ausnahme bleiben.

Europa steht mit seinen Sanktionen gegen Österreich da - und weiß keinen Ausweg ohne Gesichtsverlust.

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