Herrn                                                                                       Karlsruhe , 18. Mai 2000
Joschka Fischer
Bundesaussenminister
Werderscher Markt 1
11013 Berlin



Sanktionen von 14 EU Staaten gegen die Republik Österreich

Sehr geehrter Herr Fischer !

Durch die Sanktionen gegen einen souveränen Staat, in dem freie demokratische Wahlen
abgehalten wurden und ein Koalitionswechsel stattfand , sehe ich die Grundwerte der
Demokratie gefährdet !

Deswegen habe ich die Aktion

Demokraten wehrt euch gegen die Misshandlung der Demokratie !

ins Leben gerufen und unter meinen Bekannten in einer Unterschriftenaktion :

Demokratie in Europa bewahren !
Demokraten sagen NEIN zur Diskriminierung der Republik Österreich

42 Unterschriften gesammelt , die ich Ihnen in der Anlage als Original übersende
und Sie hiermit auffordere, alles in Ihrer Macht stehende zu unternehmen, damit die
Sanktionen gegen die Republik Österreich unverzüglich beendet werden und damit weiterer
Schaden für Europa und die Demokratie abgewendet wird !
Die Sanktionen sind durch keinerlei Vorkommnisse gerechtfertigt, sondern beruhen nur auf
rein fiktiven Annahmen und Meinungen von Partei- und Machtpolitikern innerhalb Europas ;
und schon gar nicht durch irgendwelche Gesetze und Vorschriften legitimiert ;
und verstossen ( wie mehrere Verfassungsrechtler festgestellt haben ) gegen :

•die Verträge von Amsterdam ( Artikel 6 und 7 )
•die Schlussakte von Helsinki ( Nichteinmischung in innere Angelegenheiten )
•das Solidaritätsprinzip innerhalb der EU
•das Gemeinschaftsrecht der EU

Ich verweise hiermit auf das unabhängige Rechtsgutachten des irischen Verfassungsrechtlers
Eugene Regan vom „Institute of European Affairs", in dem er feststellt, dass die Massnahmen
der 14 EU-Partner ausserhalb des Rechtsraums der EU beschlossen wurden, obwohl dies laut
den europäischen Verträgen nicht zulässig ist ! Wären sie nämlich innerhalb des Rechtsraums der
EU beschlossen worden, würden sie gegen das Gemeinschaftsrecht verstossen, das nämlich
nicht nur eine Anhörung des Beschuldigten, sondern auch eine Einbindung der Europäischen Kommission
und des Europäischen Parlamentes in eine solche Entscheidung vorschreibt !

Die Republik Österreich hätte also guten Grund, sofort eine Klage beim EUGH einzureichen -
und würde auch Recht bekommen.

Die Tatsache, dass gegen die Regierung eines souveränen Staates , die aus freien demokratischen
Wahlen hervorgegangen ist und aus Mitgliedern von demokratischen Parteien gebildet wird
und mit einer parlamentarischen Mehrheit ausgestattet ist , ohne Grund vorgegangen wird ,
und darüberhinaus sogar noch einige Mitgliedsländer diese ungerechtfertigten Sanktionen
solange aufrechterhalten wollen, bis diese ( unerwünschte ) Regierung zurücktritt -
lässt jeden aufrechten Verfechter von demokratischen Grundprinzipien erschaudern !
Nicht umsonst halten sich klassische Demokratien wie Grossbritannien und die USA in
dieser Frage äusserst bedeckt .

Und Sie, Herr Aussenminister, müssten dann doch nach dieser „Causa Österreich"
öffentlich erklären, dass entweder :

•die EU vorschreibt, wie die Koalition in jedem Mitgliedsstaat auszusehen hat
•oder aber gleich freie demokratische Wahlen abzuschaffen

denn ansonsten sind die jetzigen Sanktionen gegen eine frei gewählte Regierung ja
keinesfalls dem Volk plausibel zu machen !

Wie Sie sicher wissen werden, sind laut unabhängigen Meinungsumfragen in mehreren
europäischen Ländern die Mehrzahl der Befragten mit den Sanktionen NICHT einverstanden
und wollen ebenfalls eine sofortige Beendigung derselben !

Ich habe Sie bisher immer für einen Realpolitiker gehalten mit einem Instinkt für das Wahre
und bin deswegen verwundert, dass Sie diese Ausgrenzungs- und Abstrafungspolitik gegen
ein kleines Land, das sich absolut nichts hat zuschulden kommen lassen, mit Ihrem
Koalitionspartner mittragen !

Weiterhin haben Sie in Ihrer bisherigen Karriere als Aussenminister der Bundesrepublik
Deutschland ausserordentliches Fingerspitzengefühl in diplomatischen Fragen bewiesen ,
was ich aber in diesem Fall leider sehr vermisse !

Ich appelliere deswegen an Ihre Vernunft und Ihren Realo-Instinkt , diesem Spuk endlich
ein Ende zu setzen !

Mit diesen unsinnigen Aktionen wird der Demokratie und ihrer Werterhaltung kein Gefallen
erwiesen und schon gar nicht dem europäischen Gedanken - Leider !
Ich werde diesen Brief an Sie sowie Reaktionen darauf auf meiner Website veröffentlichen :

       http://sites.inka.de/imperial/austria.htm

sowie eine Kopie dieses Schreibens mit der Unterschriftenliste an alle im Bundestag
vertretenen Parteien übersenden mit der Bitte um Unterstützung für die Werterhaltung
demokratischer Grundregeln, sowie an die Aussenministerin der Republik Österreich .


Mit freundlichen Grüssen :

Friedrich Schneider