Die perikleische Verfassung Athens
»Wir haben eine Verfassung, die, da sie auf die Mehrheit zugeschnitten ist, nicht auf wenige, Demokratie heißt. Allen kommt nach dem Gesetze in ihren privaten Angelegenheiten das Gleiche zu; das Ansehen jedes einzelnen in der Öffentlichkeit bestimmt sich nicht so sehr von seiner Vermögensklasse her als vielmehr nach seiner Leistung, und keiner wird durch Armut gehindert, etwas für den Staat zu leisten. Freiheitlich leben wir im Staat, großzügig verkehren wir untereinander, und vor allem aus Scheu übertreten wir die Gesetze nicht, in Gehorsam gegenüber denen, die die Ämter bekleiden, und gegenüber den Gesetzen, geschriebenen wie ungeschriebenen …«
Perikles bei Thukydides
Perikles
- geboren Anfang 5. Jahrhundert, Eltern Xanthippus (Sieger von Mykale) und Agariste (Nichte des Kleisthenes)
- Erziehung u. a. durch Anaxagoras
- ab 461 Stratege
- begabter Redner
- reformiert die Verfassung; »Goldenes Zeitalter« von 461–431. Ab 431 Peloponnesischer Krieg, 404 Niederlage.
- gestorben 429
Verfassung
- Entmachtung des Areopags (nur noch für Mord und Gewaltverbrechen zuständig), Gerichtsbarkeit an Volksgericht übertragen.
- Rat beaufsichtigt Beamte
- Klagerecht der Bürger gegen Beschlüsse
- Einführung von Tagegeldern (mistós), um allen Bürgern Teilnahme zu ermöglichen
- generelle Demokratisierung (Erweiterung der Wählbarkeit, Ausweitung des Losverfahrens)
- Prinzip der Isonomie (Gleichheit vor dem Gesetz) und Unterordnung unter das Gemeinschaftsgesetz.
Organe
Rat – boulé:
Aufgaben
- Überwachung der Beamten
- Kontrolle der Finanzen
- Tagesordnung der Volksversammlung: nur vom Rat beschlossene Anträge sind bei der Volksversammlung zulässig.
- Vorlage von zu ratifizierenden Beschlüssen (proboúleuma)
- Außenpolitik
Zusammensetzung
- 500 Mitglieder, pro Phyle 50 Buleuten, die demenweise aus den Bewerbern ausgelost wurden (Mindestalter: 30 Jahre); begrenzt auf zwei Amtszeiten
- Geschäftsführender Ausschuß war die Prytanie: jeweils die Buleuten einer Phyle. Alle zehn Phylen stellten einmal im Jahr die Prytanie. Den Vorsitz hatte der Epistates, der täglich neu ausgelost wurde. Er bliebt mit einem Teil der Prytanen im Dienstgebäude und wurde – wie Gesandte und Bürger, denen man besondere Ehren erwies (z. B. Olympioniken) – im Prytaneion gespeist.
Volksversammlung – ekkle:sía
Aufgaben
- Gesetzgebung
- Beamtenwahl
- Steuergesetzgebung
- Außenpolitische Beschlüsse (Bündnisse, Krieg, Frieden, Staatsverträge)
Organisation
- Stimmberechtigte: alle männlichen Bürger ab 18 Jahren
- Leitung: Epistates der jeweiligen Prytanie
- Jeder, der in die Bürgerliste eingetragen war, hatte sowohl Redefreiheit (ise:goría, parre:sía) als auch Stimmrecht
- Abstimmung durch Handzeichen (cheirotonía) oder Stimmsteine (psê:phoi), einfache Mehrheit entscheidet.
- Beschlußfähigkeit ab 6000 Teilnehmern
- Städtisch-parteiisch geprägt, da Teilnahme den Bewohnern vom Land trotz des Tagegeldes von drei Obolen bis anderthalb Drachmen selten möglich war.
Beamte
- Minderung der Beamtenmacht durch Demokratisierung
- Durch Bezahlung, Vermehrung und Auslosung der Ämter hatten mehr Bürger Zugang zu den Ämtern.
- Voraussetzung: gute Behandlung der Eltern, Zahlung der Steuern, Teilnahme an Feldzügen und staatsbürgerliche Zuverlässigkeit.
- Wahlämter waren nur die militärischen Ämter und die der Finanzverwaltung.
- Vermeidung der persönlichen Machtanhäufung durch Begrenzung auf ein Jahr, Rechenschaftspflicht, Verbot der mehrfachen Amtsausübung.
- Höchste Beamten: Kollegium der neun Archonten. Größtenteils repräsentative (Benennung des Jahres nach dem ersten Archonten: Archon Eponymos, Vorsitz im Areopag durch den zweiten: Archon Basileus) und religiöse Aufgaben sowie Leitung bestimmter Gerichtshöfe.
- Eine weitere wichtige Stellung hatten die 10 Strategen: militärische Führungs- und Verwaltungsaufgaben.
- Gesamtzahl der Beamten: etwa 350.
Volksgericht – he:liaía
- Keine Berufsjuristen
- Der Heliaia wurden jährlich mindestens 6000 Mitglieder zugelost (Mindestalter 30 Jahre), je 600 Heliasten pro Phyle
- Nach deren Vereidigung Verteilung durch Los auf einzelne Höfe.
- Bei öffentlichen Prozessen tagten 501 Heliasten (auch dikastaí), bei wichtigen Angelegenheiten auch 1001 oder 1501, also Zusammenziehung mehrerer Höfe. Bei Privatprozessen unter 1000 Drachmen Streitwert 201 Mitglieder, darüber 401.
- Leitung der Versammlung durch zuständigen Beamten, stimmberechtigt waren nur die Heliasten.
- Kein Staatsanwalt, jeder Bürger konnte klagen.
- An einem Tag nur öffentliche oder nur Privatprozesse. Öffentliche Prozesse dauerten eine vollständige Sitzung, bei privaten wurden mehrere an einem Termin verhandelt. Nach einem Tag mußten Prozesse abgeschlossen werden.
- Jeder Beteiligte mußte sich selbst vertreten und frei sprechen, bezahlte Vertretung war verboten.
- Strenge Regelung für Rededauer und Ablauf: Beginn mit Opfer, dann Verlesung der Anklageschrift. Zweimalige Worterteilung pro Partei in Privatprozessen, je einmal bei öffentlichen. Bei öffentlichen Prozessen Dreiteilung des Tages: zwei Teile für Anklage und Verteidigung, ein Teil für die Verhandlung des Strafmaßes.
Probleme
Politik um des Geldes Willen
Viele Bürger waren nicht bereit, Ämter zu übernehmen, was die Einführung der Tagegelder nötig machte. Dadurch jedoch nahmen auch Bürger Ämter war oder erschienen zur Volksversammlung, die weniger an der Politik als an den Tagegeldern interessiert waren.
Hohe Kosten führen zu neuem Staatsbürgerschaftsrecht
Die Tagegelder waren recht teuer; Athen finanzierte sie hauptsächlich aus Seebundsgeldern. Um die Kosten zu minimieren, wurden unter Perikles das Recht auf Staatsbürgerschaft erheblich verschärft: nur väterlich und mütterlich von Athenern abstammende Athener erhielten das Bürgerrecht. Nur athenische Bürger erhielten Diäten und Getreide aus öffentlichen Getreideverteilungen.
»Oligarchische« Demokratie
Nur männliche, volljährige Athener durften an der Politik teilhaben. Die große Mehrheit (Sklaven, Metöken, Frauen) hatte keinerlei Mitspracherecht.
Quellen
- Krefeld, Dr. Heinrich (Herausgeber); »Hellenika«; Hirschgraben-Verlag; 2. Auflage 1964
- Bengtson, Hermann (Herausgeber); »Weltbild Weltgeschichte, Band 5, Griechen und Perser«; Weltbild-Verlag, Lizenzausgabe Fischer Taschenbuch Verlag, 2000
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